Deutsche Wirtschaft schrumpft im zweiten Quartal – Vorzieheffekt vor US-Zöllen verpufft

Wirtschaftlicher Rückgang in Deutschland

Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal 2025 um 0,1 Prozent geschrumpft. Das teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch mit. Der Rückgang war erwartet worden und stellt eine Umkehr der Entwicklung aus dem ersten Quartal dar, als die Wirtschaftsleistung noch um revidierte 0,3 Prozent zugelegt hatte. Hintergrund des damaligen Wachstums war ein Anstieg der Exporte in die USA, da viele Importeure aufgrund drohender Zollerhöhungen ihre Einkäufe vorgezogen hatten.

Laut Franziska Palmas, Chefvolkswirtin für Europa bei Capital Economics, blieb das Bruttoinlandsprodukt damit weiterhin auf dem Niveau vor der Pandemie. Sie betonte, dass der Rückgang „teilweise, aber nicht ausschließlich“ auf den ausgelaufenen Vorzieheffekt bei US-Zöllen zurückzuführen sei.

Rückgang der Investitionen – Konsum leicht positiv

Wie die Wiesbadener Behörde weiter mitteilte, gingen die Investitionen in Maschinen, Ausrüstungen und im Bausektor im Vergleich zum Vorquartal zurück. Gleichzeitig stiegen sowohl die privaten Konsumausgaben als auch die staatlichen Ausgaben leicht an. Die erste Schätzung für das erste Quartal wurde zudem von 0,4 auf 0,3 Prozent nach unten korrigiert.

US-Zölle belasten den Handel

Ein wesentlicher Faktor für die aktuelle Schwäche ist die geänderte US-Handelspolitik. Anfang des Jahres hatte die US-Regierung unter Präsident Trump sogenannte reziproke Zölle eingeführt. Diese Maßnahmen traten im April, zu Beginn des zweiten Quartals, in Kraft. In den darauffolgenden Monaten herrschte große Unsicherheit über den Fortgang der Handelsbeziehungen, insbesondere mit Blick auf sektorale Zölle auf Autos, Stahl und Aluminium.

Am vergangenen Sonntag einigten sich die USA und die Europäische Union schließlich auf ein Rahmenabkommen. Dieses sieht Importzölle in Höhe von 15 Prozent auf die meisten EU-Waren vor – deutlich weniger als ursprünglich befürchtet. Bestimmte Produktgruppen sollen von den Abgaben ausgenommen bleiben, und auch die Autozölle wurden auf ein Basisniveau gesenkt. Damit konnte ein größerer Handelskonflikt zwischen den beiden Wirtschaftsmächten abgewendet werden, die gemeinsam fast ein Drittel des weltweiten Handelsvolumens ausmachen.

2024 war die USA mit einem bilateralen Handelsvolumen von 253 Milliarden Euro Deutschlands wichtigster Handelspartner. Palmas erwartet jedoch, dass Deutschland härter von den neuen Zollregeln getroffen wird als andere große Volkswirtschaften. Ein nennenswerter wirtschaftlicher Aufschwung sei wohl erst 2026 mit dem Einsatz neuer fiskalischer Stimuli zu erwarten.

Mahnung zur Vorsicht trotz positiver Umfragen

Carsten Brzeski, globaler Chefvolkswirt bei ING, warnte davor, sich auf die zuletzt positiven Umfragewerte zu verlassen: „Die heutigen BIP-Zahlen erinnern schmerzhaft daran, dass Optimismus allein noch kein Wachstum schafft.“ Er sieht die deutsche Wirtschaft weiterhin in der Gefahr, auch 2025 in einer Phase der Stagnation zu verharren.

Eurozone überrascht mit leichtem Plus

Im Gegensatz zu Deutschland konnte die Eurozone insgesamt ein leichtes Wachstum verzeichnen. Nach vorläufigen Zahlen von Eurostat stieg das Bruttoinlandsprodukt der Länder des Währungsraums im zweiten Quartal um 0,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Ökonomen hatten zuvor ein Nullwachstum prognostiziert. Im ersten Quartal hatte es noch ein Plus von 0,6 Prozent gegeben.

Jack Allen-Reynolds, stellvertretender Chefökonom für die Eurozone bei Capital Economics, erklärte, dass das nachlassende Wachstum keine Überraschung sei, da der positive Effekt der vorgezogenen Importe im Zuge der US-Zollpolitik abgenommen habe. Dennoch zeige die Eurozone bislang eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegenüber den handelspolitischen Veränderungen aus Washington.

Ruhige Reaktion an den Märkten

Die Finanzmärkte reagierten verhalten auf die Zahlen: Die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen aus Deutschland und Frankreich bewegten sich nach Veröffentlichung der Daten kaum und legten jeweils weniger als einen Basispunkt zu.